5. November 2006

Nr. 2 In Valencia

Valencia,3.November 2006
Liebe Freunde und Bekannte
Heute will ich euch von meinen Begegnungen während der letzten zwei Wochen berichten Ich benutze den Laptop meines Freundes auf der Dachterrasse ihrer Wohnung. Sie befindet sich im 12. Stockwerk eines Hochhauses mitten in neueren Stadtteil von Valencia. Mein Blick geht über ältere, einstöckige Häuser über Mango- und andere Bäume, zu bestehenden und im Bau befindlichen Hochhäusern, bis hin zu den Hügel und Bergen, welche die Millionenstadt umgeben.

Im Norden erstreckt sich die bis 2400Meter hohe Bergkette bedeckt mit Regenwald der Karibikküste entlang, die wir vor einer Woche überquerten (siehe weiter unten). Im Süden liegen eine grosse Industriezone und der See von Valencia. Hinter ihm erhebt sich eine weitere Hügelkette gefolgt von der weiten Grass- und Sumpfebene im Einzugsgebiet des Orinoco-Flusses. Da ich ja nur relativ kurz in Venezuela weile verzichte ich auf die spektakulären, weit entfernten Destination ganz im Süden das Landes wie Tafelberge und Angel Fall und geniesse die Sehenswürdigkeiten in der näheren Umgebung und an meinem Weg nach Kolumbien, der in einigen Tagen beginnen soll.

In der Hauptstadt
So reiste ich am Montag, den 23. Oktober mit dem teuersten Bus in das gut 150km entfernte Landshauptstadt Caracas. Ich bestieg als letzter den verdunkelten, und für mich zu stark gekühlten Bus. Bevor ich mich auf der freien, ersten Sitzreihe setzen konnte wurde ich - wohl Sicherheitshalber - von einer Videokamera fotografiert. Um die von den Dachluken abströmende Kühlluft von mir fern zu halten öffnete ich bald meinen Knirps.

In dem über fünf Millionen Einwohner zählenden Caracas beeindruckte mich die grosszügig angelegte und sehr sauber gehaltene Metro. Ohne sie ginge wohl wenig, denn die Quartierstrassen und Stadtautobahnen sind nicht nur zu den Stosszeiten am Morgen und Abend erbärmlich überlastet. Im alten, aus der spanischen Kolonialzeit stammende Stadtteil wurden. der Grossteil jedoch in den sechziger Jahren abgerissen und durch Wolkenkratzer mit Büros und Wohnungen ersetzt, deren Unterhalt sichtbar vernachlässigt wird Ich wohnte für zwei Nächte im Hotel Altamira in dessen gleichnamigem Stadtteil in den letzten Jahrzehnten viele neue Bürohochhäuser mit Einkaufszentren entstanden sind.

Den ganzen zweiten Tag ? am Morgen regnete es in Strömen - wanderte ich durch die Strassen des Zentrums Bereits sah ich in den Geschäften viele Kläuse und Weihnachtsbäumen aus Plastik. Unter einer Strassenüberführung hatten sich Buchhändler eingerichtet und ein Unternehmen, das auf mehr als einem Dutzend Tischen, Passanten zum Schachspiel einlud. Und natürlich besuchte ich den Plaza Bolivar mit seinen alten Bäumen, inmitten der Altstadt. Simon Bolivar befreite anfangs des 19. Jahrhundert die Staaten von Venezuela bis Bolivien von der der spanischen Vorherrschaft. Und zu seinen Ehren tragen heute die Hauptplätze in allen venezolanischen Orten seinen Namen.

Als ich mich am späten Nachmittag neben der Kirche der heiligen Teresa auf einer Bank ausruhte, kamen eine Frau und ein Mann auf mich zu und baten mich um die Papiertüte aus der ich einen Banane genommen hatte. Als Bettler trugen sie saubere gebügelte Kleider und ich beobachtete, wie sie im hintern Parkteil einen Joint aus meiner Tüte drehten. Hier tragen selbst Bettler gebügelte Hemden! Die ausgeprägte Mode nach Äusserlichkeit erfuhr ich auch persönlich. So insistierte die Hausangestellte meiner Freude darauf, mein bereits angezogenes und nicht mehr sauberes Hemd, bügeln zu dürfen.

Über das letzte Wochenende ergab sich die Gelegenheit mich einer von meinen Gastgebern organisierter Wanderung über die Regenwaldkette an die Karibikküste anzuschiessen. Am ersten Tag stiegen wir über ein offenes Savannen ähnliches Tal 1000 Meter aufwärts. Der Pfad wurde von unserem Führer abschnittsweise mit der Machete frei geschlagen werden. Und mit den schweren Rucksäcken mussten wir in der heissschwülen Luft viele Raste einlegen. Doch vor dem Parkwärterhaus gab es Wasser zum Duschen und einen tollen Platz unsere Zelte aufzuschlagen. Der Abend überraschte uns mit einem tollen Regenbogen der sich über den hier beginnenden Regenwald spannte, durch den wir in den kommenden zwei Tagen wandern durften.

Das durchwandern dieses intakten Regenwaldes war ein wirklich faszinierendes Erlebnis! In dem vom Schweizer Henri Pittier gegründete, erste Nationalpark Venezuelas wächst eine extreme Vielfalt an Moosen, Flechten, Farnen, Palmen, Stauden, Sträuchern Orchideen, Bromelien, Kakteen, Lianen und immergrünen Laubbäumen! (Einige wenige dieser Pflanzen haben ja längst Einzug in die Blumenläden und Wohnstuben der Europäer gefunden) Der Fussweg verläuft flach und später abwärts. Wir sind umgeben von Blättern und Bäumen, die jede Weitsicht verunmöglichen. Die zweite Nacht zelteten wir an einem lauschigen Bach unter hohen Urwaldriesen.

Gegen Mittag des dritten Tages gelangen wir plötzlich in eine kleine Kaffeeplantage, und danach in eine dem Mittelmeergebiet ähnliche Vegetation. Ein letzter Abstieg, ein erholendes kurzes Bad im Bach. Bald gings weiter im Regen durch eine Kakaopflanzung ins Dorf Chuao, wo wir in einer kleinen Pension übernachten. Während Christian und die deutschen Familie am anderen Tag vom Nachbardorf Choroni nach Valencia zurückfahren, verbringe ich mit Ursula noch zwei Tage Badeferien an der Karibikküste.

Nun wünsche ich euch allen viele nebelfreie Novembertage. Ganz herzliche Grüsse von fritz

2 Kommentare:

At 5. November 2006 20:51, Anonymous el loco del barrio said...

ola padre

schön wieder mal was von dir zu lesen. deine zeilen erzeugen richtiggehend fernweh; in der schweiz machen einem die kalten temperaturen zu schaffen
:(

übermorgen gehe ich in die insel um mich impfen zu lassen. sukzessive verpflanze ich die innereien meiner wohnung in den estrich damit sich meine zwei untermieterinnen ein bisschen besser einrichten werden können...

freue mich auf deinen nächsten eintrag!
a.

 
At 6. November 2006 20:15, Anonymous Anonym said...

hoi fritz!

hmmm... das fernweh packt mich nun aber endgültig bei so vielen reiseberichten aus der ganzen welt: benno in pakistan, martin auf der sun21 nach amerika, anne in uganda und du in südamerika... :)
hier ist es nun endgültig herbst geworden, nachdem er sich lange nur zögerlich gegen den sommer zu behaupten versuchte...
ich übe mich in geduld: meine arbeit will es- kinder kommen niemals planmässig auf die welt. dies sehen unsere ärzte leider nur selten ein.
und gehe meinen weg, so unbeirrt und unbekümmert wie nur möglich :)
dies ist nicht immer einfach aber immer spannend!!! :)

ich wünsche dir viel freude im unterwegssein!

mit herzlichen grüssen
rebekka