26. November 2006

Nr. 6 Durch den Norden Kolumbiens

Liebe Mitreisende
In den letzten zehn Tagen habe ich die nordkolumbianischen Städte Santa Marta und Cartagena besucht. Beide wurden Mitte des sechszehnten Jahrhunderts von den spanischen Eroberern gegründet und im letzten Jahrhundert zu Grossstädten ausgebaut, über deren Meerhäfen ein Grossteil der kolumbianischen Ein- und Ausfuhr abgewickelt wird.

Sant Marta, die erste Stadt auf meinem Weg, liegt eingebettet zwischen sanftgrünen Hügeln. In ihrer Umgebung gibt es dutzende, wundebare Sandstrände, die meistes nur vom Meer aus erreichbar. Südlich der Stadt liegt das über 5000 Meter hohe Bergmassiv der Siera Santa Marta mit Gletschern und Schnee. In tieferen Lagen lebt im unerschlossenen Urwald noch eine Gemeinschaft von Indigenen. Einige von ihnen fotografierte ich am Strand von Santa Marta als sie beobachteten wie Fischer ihre Netze einzogen. Sie trugen weisse, handgewobene Gewänder und schön gezierte Umhangtaschen. Diese werden echt oder billig hergestellt, heute auch von vielen in der Stadt getragen.
Ein anderer Stamm lebte einst in den Vorbergen der Siera und wurden von den Spaniern - weil die Eingeborenen sich zur Wehr setzten - in einem siebzig Jahre dauernden Krieg vollkommen ausgerottet. Ihre einstige Hauptstadt, die "verlorene Stadt", wurde erst vor einigen Jahrzehnten von einem Grabräuber tief im Urwald entdeckt. Sie ist seither geschützt und kann in einem sechs Tage dauernden Treck besucht werden.

Der alte, noch sehr gut erhaltene Stadtteil von Cartagena, der zweiten Stadt auf meinem Weg, wird vor allem von Touristen der Oberschicht besucht. Er steht auf der Liste der UNESCO-Kulturerbe und wird seit Jahren aufwändig renoviert. Im Zentrum gibt es viele teure, hochmoderne Geschäfte und Lokale mit europäischen Preisen. Bis heute erhalten sind auch die im späten Mittelalter gebaute Befestigungsmauer und zwei weitere Forts, dank derer Cartagena sich erfolgreich gegen die englischen Eindringlinge schützen konnte.

Als ich eines Abends auf dem Plaza Bolivar jugendliche Gruppen mit ihren schnellen Tänzen und rhythmischen Trommeln genoss, begegnete ich Delimiro. Er arbeitete sechzehn Jahre auf norwegischen Schiffen, spricht englisch und etwas deutsch. In einem Basler Spital kurierte er vor Jahren einen gebrochenen Arm. Nächste Woche muss er sich in Cartagena wegen einer schmerzhafte Wucherung am Unterarm operieren lassen. Delimiro ist zur Zeit arbeitslos, hofft aber auf einen Teilzeitjob auf einem lokalen Touristenschiff und bemüht sich auch um eine Pension von seinem langjährigen Abeitgeber in Norwegen. Der kleine, rundliche Mann mit groben Gesichtszügen und lieben Augen, beeindruckte mich durch seine Offenheit, wie er auf die Menschen zuging, seinen Eifer mir zu helfen und seiner schönen Handschrift. Er lebt mit seiner Frau und zwei kleinen Kindern eine Stunde ausserhalb Cartagenas. Zweimal lud ich ihn zum Essen ein. Beide Male verzichtete er ausdrücklich darauf und wollte lieber Bargeld, um den Bus zu bezahlen, wie er sagte...

Auf der vier stündigen Busfahrt von der Grenze nach Santa Anne hatte ich die Gelegenheit, schräg vorne mir gegenüber, die bewundernswerten Fähigkeiten einer Mutter zu beobachten. Mit grossem Talent speiste sie mit ihren zwei Kindern (ca. 1 und 3) zu Mittag, ohne dass ein böses Wort fiel oder von Trinken etwas verschüttet wurde. Nach einer Fischsuppe genossen sie Reis, Gemüse, Huhn und sogar ein Stück Kuchen als Nachtisch. Während die Frau sich, und hie und da auch ihren Kindern etwas in den Mund schob, nappte der Grössere Sirup aus einer Flasche. Den Kleinen hielt sie dauernd in ihrem Schoss, doch nachdem er später Muttermilch genossen hatte, setzte sie ihn auf den Nebensitz zu seinen Geschwisterlein. Sofort begannen die Beiden vergnügt zu lachen und zu spielen. Für die Mutter die Gelegeheit sich das Gesicht zu trocknen, im Spiegel eingehend zu betrachten und schön zu machen. Während sich die annderen Mitfahrenden dem amerkanischen Brutalo im Fernseher anschauten, öffnete die junge Frau immer wieder den Vorhang und schaute gespannt in den grünen, vorbeiflitzenden Urwald, der nur hie und da von Kuhweiden oder Bananenpflanzungen unterbrochen wurde.

Soweit der Text, den ich in Turbo schrieb, einer Kleinstadt auf meinem Weg nach Panama, wo ich letzten Samstag eingetroffen bin. Turbo - ein Ort, der in keinem Führer steht - faszinierte mich wegen seiner ausgesprochen schönen und frischen Menschen. Ich verblieb einen Tag, weil man mir geasgt hatte, ich würde für den Grenzübertritt nach Panama eine Gelbfieber Impfung benötigen. Doch die Ärztin sagte mir am Montag Morgen für Leute über 65 sei das nicht mehr notwendig. Den nächsten Übernachtungsort Capurgana erreichte ich mit 20 weiteren Passagieren auf einer zwei stündigen Fahrt per Schnellboot. Zuerst über die Bucht von Turbo und dann der Küste entlang, wo wir in zwei kleinen Dörfern kurz anlegten. Capurgana ist ein idyllisches Touristennest ohne Autos aber vielen Sandstränden und einigen Soldaten. Die Küste gilt als sicher, jedoch das Hinterland wird von Aufständischen beherrscht, deretwegen sogar ein Nationalpark geschlossen wurde. In Capurgana begegnete ich einem Deutschen, der in der Gegend als Beobachter der Peace Brigade tätig ist, einer Professorin, die im Umweltbereich arbeitet, und einem Paar
aus Bogota, das eine Taucherschule betreibt. Alle schenkten mir viel Zeit, informierten mich und halfen mir bei der Weiterreise. 45 Minuten dauerte die Bootsfahrt bei aufgewühlter See und Regen über die Grenze nach Puerto Obaldia. Von dort flog ich heute Mittag schüttelfrei im Kleinfugzeug in die Haupstadt am Westeingang des Panamakanals.

Und nächsten Montag erwarte ich in San Jose meinen Sohn Andres aus der Schweiz. Ich freue mich auf die Reise zu zweit und auch auf etwas ruhigere Zeiten als in den vergangen drei Wochen. Aus Panama City grüsst euch herzlich Fritz am 29. 11. 06

3 Kommentare:

At 30. November 2006 21:12, Anonymous Anonym said...

Hallo Fritz
Herzlichen Dank für Deine
interessanten Zeilen zu meine Geburtstag, den ich noch einmal ausgiebig genossen habe!
Deinen Bericht über Nord-Kolumbien habe ich mit viel Intereesse gelesen.
Wir haben immer noch kein richtiges Winterwetter in Bern. Maria und ich mussten uns am vergangenen Montag je am linken Auge den grauen Star operieren lassen. Alles ist gut gegangen und wir freuenuns, dass wir wieder besser sehen können. Sonst sind wir zwäg. Wir wünschen und hoffen, dass es auch Dir weiterhing gut geht.
Herzliche Grüsse Janis

 
At 1. Dezember 2006 18:05, Anonymous endo said...

Sälü Daddy,

ich bin gerne "Mitreisender", was aber bist dann du? Der "Vorreisende"? Oder einfach der "Reiseleiter"? Darin hast du ja bereits bei anderen Gelegenheiten Erfahrung gesammelt. Ich denke, du machst das gut. Jedenfalls behaupte ich, dass unsere Gruppe unterwegs bisher noch keine Mitreisenden verloren hat. Weiter so, und danke, dass du uns dein Abentuer in die sichere Stube sendest.

Mit einer imaginären Dose voll mit deinen Liebllingsguezli wünsche ich dir einen "stimmungsvollen" Einstieg in die Adventszeit. Ist bestimmt im karbischen Klima etwas seltsam, aber auch mir scheint die Idee, dass in vier Wochen Weihnachten sein soll, eher abartig bei den spätsommerlichen Temperaturen der letzen Zeit. BLICK: "Wärmster Herbst seit 500 Jahren!"

Bis zum nächsten Mal.
Christoph

 
At 12. Januar 2007 20:22, Anonymous Anonym said...

Lieber Fritz,
mit großem Interesse habe ich Ihre Berichte gelesen. Ich habe große Hochachtung vor Ihrer Leistung.
Was ich bisher aber noch nicht heraus gefunden habe ist, was ist es, was Sie so antreibt, die beschwerliche Reise zu unternehmen? Ist es einfach Ihre Abenteuerlust oder möchten Sie den Menschen etwas mitteilen? Was empfindet Ihre Familie?
Ich grüße Sie von der deutschen Nordseeküste und wünsche Ihnen bestmögliche Gesundheit, Freude und innerlichen Frieden.
Bärbel - Mama von Susanne -