20. Juni 2007

Nr. 26 In Amerika

Las Vegas, 20. Juni 2007
Liebe Mitreisende,

eher zufällig kam ich nach Las Vegas. Als ich vorgestern einige hundert Meter in den Grand Canyon abgestiegen war, kam ich mit Benoit, einem Kanadier, ins Gespräch. Spontan lud er mich ein, am Nachmittag mit ihm im Auto seines Freundes hierher zu fahren. Er ist sogar bereit einen Umweg über Flagstaff zu machen, wo ich mein gemietetes Zelt zurückgeben muss.

Nach einer 400-km-Fahrt kamen wir kurz vor Sonnenuntergang in der Zweimillionencity an. Ich hatte Glück, Benoit lud mich zufällig gerade vor dem Touristenbüro aus. Eine freundliche Frau rief diverse billige Hotels an und zuletzt sogar die Jugendherberge, in die ich einkehren wollte. Sie hätten noch Platz und eine Nacht koste im Dorm 20 Dollar plus 10 Depot für den Schlüssel. Das US-Hostel sei einige Meilen entfernt, aber mit dem Stadtbus erreichbar. Mit dem Stadtplan in der Hand stieg ich also bald darauf in den Doppeldecker und bezahlte für einen 24Stunden-Pass 5 Dollar. Wir durchfuhren im Abendlicht die ersten Hotelpaläste. Dann wurde es dunkel und ich sah links und rechts der vierspurigen Strasse nur noch in allen Farben blinkende Lichtreklamen. Beim nächsten Halt stiegen über ein Dutzend Leute in den Bus; das dauerte viele Minuten. Einige waren Touristen und hatten keine Ein-Dollar-Noten, die neben dem Fahrer in einen Automaten eingeführt werden müssen. Einige zogen ihre Abonnemente durch einen Leseschlitz. Kein Gehetze, keine Unruhe, jedermann hat Zeit und Geduld! Ich staunte.

Zweimal fragte ich, wann wir die Fremann Street erreicht hätten, wo ich aussteigen und mein Hotel suchen wollte. Als ich endlich mitten im Spielviertel ausstieg, bekam ich von einem Kioskbesitzer zu hören, dass mein Hostel noch acht Häuserblocks entfernt sei. Mit Wasserflasche und Stadtplan in der Hand und Tasche und Rucksack an den Schultern kam ich dort nach ca. 20 Minuten an und musste erfahren, dass sie ausgebucht waren. Die gute Frau im Touristenbüro hatte also keine Reservation gemacht. Auf mein Drängen telefonierte der junge Mann an der Rezeption dem Sin Citys Hostel und bestellte ein Taxi — ich war zu müde, mich nochmals auf die Socken zu machen. Die Fahrt kostete 8 Dollar. Um 22 Uhr bezog ich das reservierte Dorm-Zimmer. Ich ass einen Rest Brot und eine Dose Sardellen aus meinem Rucksack und legte mich nach diesem 17-Stunden-Tag todmüde ins Bett. Ich schwor, eine solche Anstrengung wenn möglich nicht zu wiederholen.

Rückblick: In Flagstaff im Norden Arizonas wollte ich mir nach drei Ruhetagen ein Auto mieten, um diverse Naturparks der Umgebung zu besuchen. Doch als ich am Freitagabend den kleinen silbrigen Chevy mit dem günstigen Weekendangebot in Empfang nehmen wollte, stellte sich heraus, dass meine Kreditkarte bereits überzogen war. Am Samstag morgen fuhr ich dann mit einem Touristenbus zum Grand Canyon. Als Fussgänger campierte ich auf einem riesigen Zeltplatz im Innern des Parks für 6 Dollar pro Nacht, während Autofahrer das Dreifache bezahlen müssen.

Den schönen Föhren-Juniperus-Wald, der das Hinterland des Canyons bedeckt, hatte ich nicht erwartet. Innerhalb des Parks bringen drei Buslinien die jährlich über eine Million Besucher gratis zu den Hotels und Aussichtspunkten. Zudem gibt es diverse Gratisangebote an Führungen und Besichtigungen. Besonders gefragt ist der Sonnenuntergang am Rand des Canyons kurz vor acht Uhr. Hunderte Touristen, mit Video- und Fotokameras ausgerüstet, warteten in leichter Kleidung im frischen Abendwind darauf, dass die Sonne 15 km entfernt auf der anderen Seite des 1500 Meter tiefen Grabens untergeht. Ich selber erfreute mich weniger an der unfassbaren Grösse des Naturwunders als vielmehr an den kleinen Dingen wie Felsen, Steinen, Tieren und vor allem an den Bäumen und Pflanzen. Einige davon blühten sogar, trotz extremer Trockenheit.

Gestern machte ich hier in Las Vegas bei 40° Celsius die erste Stadtwanderung. Ich kaufte für den 21. Juni ein Busticket für die Weiterreise und beobachtete Spiellustige in den Kasinos. Als ich mich der Kasse des Happy Buffet für 77 Dollar näherte, reichte mir eine Frau einen Gutschein. Gratis genoss ich nach den drei spartanischen Zelttagen ein vielseitiges, herrliches Mittagessen.

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