28. Februar 2007

Nr. 16 Honduras und El Salvador

Liebe Mitreisende
In diesem Beitrag berichte ich über meine Reise durch Honduras und El Salvador. Dass der Aufenthalt eher kurz ausfiel, liegt am Visum, das für die vier in der Zentralamerikanischen Union vereinigten Länder — Nicaragua, Honduras, El Salvador und Guatemala — total nur 90 Tage gültig ist. Und für Guatemala sind noch gut vier Wochen vorgesehen.



Nach zwei Tagen in der honduranischen Hauptstadt Tegucigalpa fuhr Andres per Bus und Fähre auf die Karibikinsel Utila. Ich dagegen bekam kurzfristig einen Auftrag vom Roten Kreuz, in vier Projekten zu fotografieren. Das interessanteste Projekt kommt den Indigenen mit dem Namen Pech zugute, die in sechs abgelegenen Dörfern im ostzentralen Honduras leben. Im weiten, flachgebirgigen Gebiet mit offenen Föhrenwäldern betreiben Ladinos (so heissen die Nachkommen der eingewanderten Spanier) Viehzucht und besitzen den Grossteil des Landes. Die Pech dagegen leben bescheiden in ihren kleinen, weit auseinander liegenden Dörfern und betreiben auf kleinen Einzelhöfen Landwirtschaft oder arbeiten in den Wäldern. Das Rote Kreuz baute in ihren Siedlungen Wasserversorgungen, legte Zementböden in die Häuser, baute Dusch- und Waschhäuschen und WCs. Auch der Anbau von diversen tropischen Fruchtbäumen zur Selbstversorgung wird gefördert. Wichtig ist zudem die Ausbildung und Betreuung von "Gesundheits-Freiwilligen", die imstande sind, zu Hause und in der Nachbarschaft erste Hilfe zu leisten.

Die weiteren von mir fotografisch festgehaltenen Projekte werden im heissen, hügeligen Tiefland im Süden von Honduras realisiert. So wurden am Stadtrand von Nachome für Familien, die aufgrund des Hurrikans Mitch ihre Häuser verloren haben, eine neue Siedlung gebaut. In anderen Teilen werden ebenfalls GesundheitsarbeiterInnen ausgebildet. Hier fällt während acht Monaten kein Regen, das Gebiet ist darum sehr, sehr trocken und nur mit einem leichten, meist niedrigen Baumbestand bedeckt. Die Regenzeit wurde in den letzten Jahren sogar kürzer und so können die Bauern nicht wie früher zwei, sondern nur noch eine Ernte an Mais oder Sorgum einbringen. Bei jedem Dorf stehen Antennen für Handys, die Bauern aber pflügen mit Ochsen und bringen ihre Ernte mit Karren auf Holzrädern ein.

Claudio, der seit zwanzig Jahren in Honduras lebt und die Projekte betreut, sagte mit, dass hier (und wohl in ganz Zentralamerika) 80% der Familien vor allem dank den Dollars überleben, die ihre in den USA arbeitenden männlichen Familienmitglieder nach Hause senden. In seinen ersten Honduras-Jahren verbesserte Claudio im Auftrag der DEZA landwirtschaftliche Geräte für Kleinbauern. So wurde ein Eisenpflug mit Schar lokal über 20 000 Mal hergestellt und verkauft. Claudio nahm mich am Freitag mit in den Süden von El Salvador, wo ich zwei weitere Hausbauprojekte des Roten Kreuzes kennen lernte.

Und dort begegnete ich Anna, die Verantwortliche für das Rote Kreuz in El Salvador. Mit ihr konnte ich am Samstag in die Hauptstadt San Salvador fahren und bei ihrer Familie wohnen. Anna hat mit ihrem salvadorianischen Partner zwei Kinder. Sie lebt schon bald drei Jahrzehnte in der Region. Zuerst als Freiwillige bei den Sandinisten in Nicaragua, dann als Medienfrau für die FMLN (Befreiungsarmee von El Salvador) und seit dem Friedensschluss Anfang der Neunziger Jahre in der Weiterbildung für Erwachsene. Im weit ausgedehnten San Salvador leben fast die Hälfte der sieben Millionen Einwohner des Landes! Ich war überrascht über die sauberen Strassen und Busse.

Es ist sehr traurig und tragisch zugleich, dass die Menschen hier so sehr bescheiden leben und auf Auslandhilfe angewiesen sind, geben die Böden doch bis zu drei Ernten pro Jahr ab. In El Salvador rissen früher skrupellose Ladinos die meisten Ländereien an sich und verdienten mit Kaffeeplantagen viel Geld. Ihren ArbeiterInnen aber bezahlten sie nur Hungerlöhne. Als sich die Arbeiterklasse in den dreissiger Jahren des vergangen Jahrhunderts unter Augustin Farabundo Marti zu wehren begannen, wurden durch die Armee 30 000 Menschen getötet. Erst nach zwölf Jahren Bürgerkrieg mit 75 000 Toten gelang der Befreiungsarmee, bekannt unter dem Kürzel FMLN, 1990 ein Teilsieg. Dies, obschon die USA die Regierung und das Militär mit sechs Millionen Dollar unterstützte.

Die USA agierten zum Teil vom benachbarten Honduras aus, wo sie seit einigen Jahrzehnten eine Armeebasis betreiben. In Honduras hatten sie bisher erfolgreich Regierungen gefördert, die ihnen hörig sind. So konnten die USA zum Beispiel den Grossgrundbesitz der amerikanischen Bananenplantagen schützen. Der Graben zwischen arm und reich vertieft sich in beiden Ländern weiterhin. Die abgemachten Landreformen werden kaum durchgeführt. Kleider- und andere Fabriken bekommen Sonderbewilligungen mit Steuererlass. Die Rechte der Arbeiterinnen auf einen Minimallohn oder eine geregelte Arbeitszeit mit Ferien, Kranken- und Sozialversicherung werden nicht eingehalten.

Mittlerweile haben Andres und ich uns wieder getroffen. Gestern besuchten wir die bekannten Maya Ruinen von Copan im Nordwesten von Honduras. Die Trümmer der vor 1300 Jahren untergegangenen Stadt liegt in einer kleinen Ebene eines fruchtbaren Tales. Die vielen, seither auf Tempeln gewachsenen und stehen gelassenen Urwaldbäume geben den Ausgrabungen eine friedliche, einladende Note. Auf grasbewachsenen, offen Plätzen stehen reich geschnitzte Stehlen aus Stein. Sie und eine ganze Treppenanlage voller steinerner Bilder und Piktogramme sind es, die Copan für die Erforschung der Maya-Kultur so interessant machen. Die schönsten der erst zwischen 1988 und 1992 ausgegrabenen Objekte können im nahen, grosszügig erstellten Museum bewundert werden. So auch eine Nachbildung in grellen Farben des Rosa-Lila-Tempels, der unterhalb der letzten Bauten durch Tunnelvorstösse gefunden wurde.

Die bisherige Vorstellung, dass die Bauten, Bilder und Piktogramme vor allem religiösen Charakter haben, wich Erkenntnissen, dass es sich bei den Figuren um Darstellungen von Maya-Königen handelt, die ihre Macht und Eroberungen in Stein meisseln liessen. Der schnelle Untergang von Copan wird mit einer massiven Bevölkerungszunahme und der damit zusammenhängenden Übernutzung der Böden und Abholzung der Wälder erklärt. Wenn ich das überdenke, muss ich gleich an die kritische Situation denken, in welcher sich die ganze Erdbevölkerung der heutigen Zeit befindet. Und die bange Frage bleibt: Wird es uns gelingen, ein Überleben auch für unsere Nachkommen in zukünftigen Jahrhunderten zu sichern?

Morgen werden wir nach Guatemala reisen und uns umsehen, wie dort die Nachkommen anderer Maya-Stämme heute leben. Bis ich davon berichten kann, grüsse ich alle herzlich aus Copan am 28. Februar 2007, euer Fritz

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