21. September 2007

Nr. 33 Zwei Berner in Kanada

Liebe Mitreisende

Wie im letzten Blog angekündet, besuchte ich in den vergangenen zwei Wochen in der Provinz Ontario zwei ausgewanderte Berner. Mein Cousin Heinz aus Rüschegg betreibt südlich von Ottawa eine Farm, und Hans, ein Jugendnachbar aus Oberbalm, wirtschaftet westlich von Toronto. Ohne sprachliche Vorkenntnisse begannen sie hier ein neues Leben. Das in den weiten Ebenen zwischen den grossen Seen, wo es im den langen Wintern bis —35° Celsius kalt werden kann. Beide erhielten in den ersten Jahren von Verwandten Hilfe beim Aufbau ihres neuen Betriebs. Heinz und Hans haben mich ganz toll bewirtet, wofür ich ihnen hier ganz herzlich danke. Mehr über ihre Karriere in Kanada, die im Frühjahr 1979 begann, berichte ich weiter unten.

Gestern und heute besuchte ich bei herrlichem Herbstwetter die Niagarafälle an der Grenze zu den USA. Nachdem ich mich mit all den Angeboten für Fun und Spiel à la Las Vegas und den Hunderten von Besuchern abgefunden hatte, erfreute ich mich an dem einzigartigen Naturwunder. Mit grossem Getöse und Wolken aus aufsteigendem Gischt ergiessen sich die Wassermassen über eine hufeisenförmige Felsplatte bis fünfzig Meter in die Tiefe!

Am kommenden Samstag fliege ich nach Quito und am Tag darauf auf die Insel Galapagos. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern einen sonnigen gesunden Herbst und grüsse euch aus Niagara City
euer Fritz


Heinz aus Rüschegg
Als Heinz heiratete, konnte er den kleinen Hof seines Vaters in den Aspen pachten. Doch wegen Differenzen mit seinen Brüdern wurde ein erhoffter Kauf verhindert, und das Paar versteigerte seine Habe und wanderte mit zwei Kleinkindern nach Kanada aus. Die Farm, welche ihnen beim ersten Besuch versprochen worden war, war unterdessen verkauft. Doch fanden sie bald eine andere, die ihnen entsprach, und übernahmen den 80 Hektaren Betrieb samt Kühen und Inventar. Das Geld aus der Schweiz reichte bei Weitem nicht, und sie mussten Darlehen aufnehmen, deren Zins in den folgenden Jahren bis auf 27% im Jahr anstieg.

Nun erlebten Helen und Heinz sehr schwierige und harte Jahre. Sie mussten Englisch lernen und sich in einem ganz neuen Umfeld bewähren. Zwei weitere Kinder wurden geboren. Mit der Einschulung der Kinder fanden die Eltern Kontakt zu anderen Familien und zu einer Kirchgemeinde. Helen arbeitete tapfer mit und verdiente Geld durch Backen und den Verkauf von Brot und Süssigkeiten auf einem Bauernmarkt. Heinz erholte sich erst ganz, als er sich nach zehn Jahren entschloss, die Kühe zu verkaufen. Seither kultiviert er Mais, Soja und Weizen für den Verkauf.

Heute sind die Kinder erwachsen und bis auf die jüngste Tochter verheiratet. Stephan lebt in den USA, Karin in Westkanada und Michael, der einmal den Hof zu übernehmen plant, ganz in der Nähe. Der Anbau von Getreide ist rentabel und dank niedrigen Zinsen konnte Heinz seine Ackerfläche durch Zukauf in jüngster Zeit verdreifachen. Sorgen bereitet ihm jeweils der Verkauf der Ernte, die er zusammen mit seiner Frau anhand der Weltpreise über die Börse in Chicago tätigt.


Hans aus Oberbalm
Mein ehemaliger Nachbar, den ich von meiner Jugend her kenne, ist ledig geblieben. Als er bereits weit über dreissig war, übernahmen ein Cousin den Hof in Oberbalm und ein zweiter die dazu gehörende Mühle. Hans ging als Knecht zu einem kinderlosen Bauern ins Gürbetal. Obschon sich die Hoffnungen, einmal den Hof übernehmen zu können, schon bald zerschlugen, blieb er dort elf Jahre.

Durch Zufall traf Hans einen Bauern, mit dessen Bekannter er eines Sommers auf der Suche nach einer geeigneten Farm durch Kanada reiste. Und im folgenden Frühling begann Hans, fünfzigjährig, ein neues Leben. Er entschloss sich für Schweinezucht und fand einen etwa 40 Hektaren grossen Betrieb. Nachdem er einen neuen Stall samt Silo und Jauchegrube gebaut hatte, kaufte er vierzig Mutterschweine und begann die Ferkel zu mästen und zu verkaufen. Das notwendige Rohfutter an Mais, Gerste und Soja konnte er selber produzieren. Nach zwanzig Jahren verpachtete Hans seinen Betreib mit Vorverkaufsrecht an einen Schweizer Freund und Nachbarn, dessen Söhne Bauern werden wollen. Sie züchten und mästen ebenfalls Schweine und halten auf ihrer eigenen Farm eine Herde Simmentaler Kühe.

Heute ist Hans glücklich, dass er in seinem Leben noch einige Jahre einen eigenen Betrieb führen konnte! In seiner Umgebung hat er einen grossen Bekanntenkreis von Schweizer Bauern. Hans singt im Jodlerchörli. In seinem Wohnhaus aus roten Backsteinen führt er allein den Haushalt. Er hält Schafe als Rasenmäher, zieht eigenes Gemüse und rüstet Holz zum Kochen und Heizen. Wenn er einmal ins Altersheim eintreten muss, möchte er das lieber in der Schweiz als in Kanada tun.

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