8. April 2008

Nr. 47 Am Ende der Welt

Ushuaia, 7. April 2008
Liebe Mitreisende,

nun bin ich endlich in Ushuaia auf Feuerland. Diese südlichste Stadt unserer Erde bezeichnet sich als das Ende der Welt. Das aufstrebende Ushuaia gibt sich sehr modern bis mondän. Es hat einen Containerhafen und ist eine wichtige Touristendestination zum Lädele und für Ausflüge in die nahen Fjorde, Berge, Parks und die Antarktis, von hier aus immer noch fern.

Was sich bereits im Punta Arenas ankündete, ist hier ausgebrochen. Der Winter! Gestern wie heute flattern weisse Flocken durch die nassen Strassen. Die umliegenden Berge tragen ein weisses Kleid. Es reicht hinunter bis in die rotgefärbten Wälder, die hier bis auf 800 Meter über Meer reichen. Die Menschen eilen in Mäntel und Schals gehüllt ihren Geschäften nach. Wie dankbar bin ich über die Wollhose und die Daunenjacke aus Peru!

Noch nie auf der Reise hatte ich so viele Begegnungen, wie hier auf der Südspitze Amerikas. Die Landesgrenze verläuft hier kompliziert, so dass ich, um hierher zu gelangen, einige Male zwischen Chile und Argentinien hin und her pendelte. Südlich vom argentinischen Ushuaia liegt, nur durch einen schmalen Fjord getrennt, der kleine chilenische Ort Puerto Williams. Dort lebt Patricio, den ich vorgestern in Punta Arenas kennen lernte. Er gehört zu den Yasha, einer der beiden Volksgruppen, welche die Invasion der Europäer auf Feuerland überlebt haben. Die schwächeren Völker, die während Jahrhunderten in diesem rauen Klima gelebt hatten, sind längst ausgestorben. Sie fielen dem Alkohol und den Krankheiten zum Opfer, welche die Eroberer mitbrachten. Patricio reist für einige Tage nach Santiago, um an einem nationalen Kongress der 18 chilenischen Indigenenvölker teilzunehmen. (Hier muss ich eine Aussage im letzten Blogbeitrag korrigieren. Wahr ist, dass die Siedler auch in Zentralpatagonien auf zwei indigene Völker stiessen, die aber inzwischen seit langem ausgestorben sind.)

Als ich gestern spät ins Hostel Cruz del Sur kam, lud mich Ann, eine deutsche Touristin, spontan zum Mitessen ihres gekochten Gulasches ein. Vor Tagen in Punta Arenas setzte sich ein Paar mit einem Mädchen an meinen Nachbartisch. Die Kleine schloss mich sofort ins Herz und wollte ihr Dessert unbedingt an meinem Tisch verzehren. Derweil verdrückte ihr Vater ein Steak. Wir befanden uns in einem chinesischen Buffetrestaurant, und schon zuvor hatte der schlanke Mann vier Mal frischen Schafsbraten geholt und verzehrt. Seine Frau dagegen war zurückhaltend. Sie sagte mir, dass sie ihrem Mann, der in Minen arbeitet, aus Santiago hierher gefolgt sei. Erst beim Salatteller zum Dessert schloss sie sich ihm wieder an.

Erwähnen möchte ich noch Monika, eine Frau mittleren Alters, mit der ich in einer anderen Beiz in Punta Arenas ins Gespräch kam. Sie hilft dort vorübergehend im Betrieb ihrer Schwester, lebt eigentlich seit der Flucht aus Chile vor vierzig Jahren in Ecuador. Mit einem bitteren Unterton berichtete mir Monika engagiert über die aktuelle Situation in Chile. "Immer noch haben hier die Beamten, die seinerzeit vom Diktator Pinochet eingesetzt worden waren, das Sagen. Das Leben der Armen und der Leute in der Opposition gestaltet sich in vieler Weise auch heute noch sehr schwierig, zum Beispiel wegen des wirren Papierkriegs mit den Behörden."

Mit den folgenden Fotos zeige ich euch einige Eindrücke aus den einzigartigen Orten, die ich in den letzten Tagen besuchen durfte. Mit einem herzlichem Dank für die Kommentare und lieben Grüssen verbleibt
euer Busreisende Fritz



Bewältigung der Vergangenheit; Laientheater in Calafate, Argentinien.

Naturwunder Moreno; rote Wälder, weisser Gletscher, türkisblauer See.

Nach Schulschluss; Teenies im Park von Purto Natales.

Sturm; Gipfel im Park Torres del Paine.

Der Gletscher Grey; gespeist vom südlichen Eisfeld (verborgen hinter den Scheebergen).

Der Herbst hat viele Farben; Blätter einer Staude im Urwald über dem Gletscher Grey.

In keinem Führer erwähnt: Ausschnitt des intakten Urwaldes im Park Torres del Paine.

Für Frühaufsteher; erste Sonnenstrahlen auf den drei Türmen im Torres del Paine.

Vom Sturm gepeinigt; Sandra und Florence auf dem Weg nach Camping Grey. Mit ihnen war ich auf einem sechstägigen Treck im Torres del Paine.

Geformt von den Elementen; tote Bäume und geschliffener Fels. Torres del Paine.

Cerro Catedral; der schönste Berg im Torres del Paine.

Die Tochter des Offiziers; Kakao trinken nach der Parade in Punta Arenas.

Gesichter von Gehorsamen; SoldatInnen am sonntäglichen Fahnenaufzug in Punta Arenas.

Der Leuchtturm; Sturm an der Strasse von Magellan.

Auf Feuerland; am Grenzübergang nach Argentinien.

Am siebten April; Ushuaia mit frisch verschneiten Bergen.

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