18. Januar 2007

Nr. 12 Ometepe - Insel des Friedens

Liebe Mitreisende
Am dritten Januar frühmorgens verliess ich per Bus Montezuma. Andres blieb zurück, um für einige Tage bei einer Türkin im Café auszuhelfen. Bereits nach Mittag traf ich in der Stadt Libera im Norden von Costa Rica ein. Hier hatte die Landschaft ein vertrocknetes Gesicht. Auf den Wiesen blies ein böhiger Nordwind durch weisse Gräser. Viele Bäume hatte ihre Blätter verloren. Vorbei das saftige Grün, welches bisher vorherrschte. Und mir wurde bewusst, die Trockenzeit in Zentralamerika hatte ja schon vor Wochen begonnen.

Am folgenden Tag fuhr ich mit einer Touristengruppe zum nahen Vulkan Rincon. Im gleichnamigen Nationalpark wanderte ich mehrere Stunden im Schatten von Bäumen oder über windgeplagte Wiesen zu dampfenden oder brodelnden Löchern. Achtung 75 Grad!, stand auf den Tafeln. Die im Innern des Vulkans vorhandene Hitze wird schon bald in einem Thermokraftwerk in elektrischen Strom umgesetzt werden. Am Nachmittag erreichte ich nach zwei Stunden einen idyllisch gelegenen Wasserfall. Wie erfrischend war das Bad im klaren Wasser. Nur etwas kurz, denn der Bus wartete bereits zur Rückfahrt.

Auch am nächsten Tag hatte ich vor, einen weiteren Nationalpark zu besuchen. Doch auf der Fahrt dorthin entschloss ich mich kurzerhand, im Bus bis zur Endstation, der Grenze zu Nicaragua, sitzen zu bleiben. Nach dem Grenzübertritt war mein Ziel Ometepe, die Insel mit den zwei Vulkanen im Nicaraguasee. Ich erreichte sie nach einer kurzen Bootsfahrt am frühen Nachmittag.

Bereits einen Tag später machte ich mit einer kleinen Gruppe eine Rundfahrt zu den wichtigsten Sehenswürdigkeiten der Insel. Auf Ometepe fühlte ich mich gut und entschloss für einige Tage zu bleiben. Im Hotel Aly in Moyogalpa, im Anlegeort der Fähre, bezog ich ein Zimmer. Bald ergaben sich unter den Touristen Bekannschaften. Zwei deutsche Frauen kamen nach Costa Rica, um ihren möglichen Alterssitz zu finden. Ein junger Deutscher ist mit 60 kg Gepäck auf seinem Fahrrad unterwegs nach Kanada und will wie ich im nächsten Jahr Südamerika bereisen.

Die Insel Ometepe wurde vom langen Bürgerkrieg verschont. Sie wird Insel des Friedens genannt. Die Menschen gelten als die freundlichsten von ganz Nicaragua. Die Landschaft, die sich rund um die beiden Vulkane ausbreitet, ist sehr fruchtbar. Der See erstreckt sich über dem schwarzen Lavagrund grau bis braun gefärbt bis zum fernen, nur leicht erkennbaren Horizont. Seine Ufer zieren mächtige Bäume und lauschige Buchten. Bei genauerem Hinsehen fällt auf, dass die Insel schon bessere Zeiten erlebt hat. Viele Gebäude, Strassen und Hafeneinrichtugen sind verfallen. Die Häuser sind klein, das Leben bescheiden. Die Bauern ziehen auf dem Lavaboden besonders wertvolle Kochbananen. Diese bringen Lastwagen aus El Salvador oder Honduras direkt in Fabriken, wo sie zu Chips und Kosmetika verarbeitet werden.

Der Vulkan Conception ist 1600 Meter hoch und noch aktiv, der zweite, Maderas, etwas niedriger. Er ruht seit über tausend Jahren und hat einen Kratersee. Beide sind weitgehend mit Regenwald bedeckt und können bestiegen werden. Ihre Gipfel habe ich nicht gesehen. Sie sind zu dieser Jahreszeit mit einer, im starken Wind stehts das Gesicht verändernden weissen Wolke umhüllt.

Am Montag den 9. Januar um zehn Uhr machte ich mich zu Fuss auf, um den kleineren, weiter entfernten Vulkan zu umruden. Die Fahrstrasse, die ich einschlug, war staubig, sonnig und ein stetes Auf und Ab. Den Ort Altagracai, sechzehn Kilometer entfernt, erreichte ich rechtzeitig vor dem Einnachten.

Nach dem hier üblichen Frühstück mit Reis, Bohnen, Rührei und Toast wanderte ich weiter. Zuerst auf der vor zwei Jahren durch die Weltbank mit Zementsteinen befestigten Strasse. Nach einem ersten Halt traf ich einen Bauern, der mich einige Zeit begleitete. Begeistert redete er von seiner Insel, die den Menschen verschiedene Früchte schenke, dazu Sorgum, Mais, Trockenreis, Tabak und Bananen für den Verkauf. Aber auch dauerhaftes Holz zum Häuser bauen. Sowie Fleisch und Milch von den Kühen. Jeder Bauer ziehe Hühner und Schweine. Entlang einer Weide stiegen wir hinab zum See. Mein Begleiter zog sich aus und badete. Ich beobachte, wie Frauen und Kindern im warmen Wasser standen und auf rauen Steinen Kleider wuschen. Im frischen Wind ging ich für Kilometer dem Strand entlang auf den kleinen Vulkan zu. Das monotone Geräusch der weissen Wellen, die auf den schwarzen Sand aufschlugen, liessen mich meine müden Beine vergessen.

Der dritten Tag wurde der Strengste. Niemand konnte mir glaubwürdig sagen, wie weit San Ramon entfernt ist, das ich erreichen wollte. Ich ging neben Bananenplantagen vorbei, entlang abgeernteter Reis-, Sorgum- oder Maisacker oder unter Schatten spendenden Baumpartien. Die Bauern waren zu Fuss oder Pferd unterwegs. Als Familien sassen sie schwatzend unter dem Vordach ihrer mit Blumen umgebenen Häuser. Andere breiteten gedroschenes Getreide zum Trocknen aus. Ich sah sogar einige Ziegen, die ersten auf meiner Reise. An einer Sandbank in Seenähe labten sich Schmetterlinge; weisse, gelbe, orange, gefleckte, rotbraune und ganz braune. Gegen Abend sangen die Vögel lauter, eine Familie von Brüllaffen suchte ihr Essen, rosarote Blüten, direkt über meinem Kopf. Den ganzen Tag über sah ich geerntete Kochbananen am Strassenrand, die die Bauern zum Abtransport dorthin gelegt hatten.

In San Ramon besuchte ich am Morgen den Hafen, wo eine norwegische Firma seit zwei Jahren eine Fischzucht für den Export unterhält. Unterwegs zum nächsten Dorf badete ich an einem einsamen Strand. Später fotografierte ich alte Bäume und das Innere eines Wohnhauses aus Bambus. Auf Naturboden steht ein grosser Kühlschrank, auf einem Gestell ein Fernseher und eine Musikanlage. Die Frau mit fünf Kinder kocht mit Holz auf einem offenen Herd auf Tischhöhe. Ich ging weiter zwischen schwarzen Felsen und weissen Stämmen, bis mich eine Kinderschar aufhielt und auf eine dünne, lange Schlange zeigte, die in den untersten Ästen eines Baumes züngelte. Am Ausgang des Dorfs Merida genoss ich den Schatten hoher Alleen von wilden Mangobäumen. Ihre satten, tiefgrünen Blätter wirken stets erfrischend. Bald brannte die Sonne wieder heiss und ich setzte meinen Hut auf. In jeder auch noch so kurzen Schattenpartie zog ich ihn aus, denn ich war nass vor Schweiss. Als ich ihn wieder mal aufsetzen wollte, fehlte er, er war aus meiner Hosentasche gefallen. Zum Glück kurz vor dem Ziel.

Diesen Text schrieb ich am 13. Januar in Moyogalpa auf Ometepe. Heute ist der 17. Januar, und ich bin seit Sonntag in Granada, wo Andres auf mich gewartet hat. Morgen beginnen wir einen fünf tägigen Spanischkurs, organisiert durch das Rote Kreuz von Nicaragua. Also bis bald euer Fritz

2 Kommentare:

At 18. Januar 2007 13:58, Anonymous Anonym said...

Dein mehrtägiger Ausflug zum Jahresbeginn rund um den Vulkan war bestimmt schön. Anstrengend aber lohnend. In meiner Vorstellung nimmt diese Wanderung spirituelle Züge an. Bin gerade etwas neidisch.
Hier braut sich der erste Wintersturm zusammen (Orkanwinde, Niederschläge und Temperatursturz). Da bleibt man besser zuhause.

Viel Spass beim Spanischunterricht. Mittlerweile hast du die Sprache bestimmt im Ohr, so dass das Lernen nicht zu schwer fällt.
Liebe Grüsse an padre y hermanos
Christoph

 
At 21. Januar 2007 19:21, Anonymous Anonym said...

Hallo Fritz
Manchmal verfolge ich auf dem Atlaus in welcher Ecke Mittelamerikas Du Dich gerade befindest. Deine Interssanten Berichte lassen mich fast einwenig Tropenluft schnuppern. Ist es überhaupt möglich soooo viele täglich neuen Eindrücke zu verarbeiten?
Bei uns wird es wohl diese Woche den ersten Schnee bis in die Niederungen geben. Ich freue mich darauf. Schnee faszinierte mich schon immer!
Ich wünsche Dir/Euch weiterin alles Gute.
Herzliche Grüsse Janis